Weihbischof Hans Leo Drewes (†) über die "Drei Hasen"

"Drei Hasen"

in Gänsefüßchen bedeutet eine besondere Sinngebung dieses Ausdrucks. Hier handelt es sich um den Namen des KV-Altherrenzirkels Paderborn und seine Beziehung zum weltbekannten Fenster im Kreuzgang des Paderborner Domes.

Das Drei-Hasen-Motiv wird meist gedeutet als Symbol des einen Gottes in drei Personen. Nun ist aber die naheliegende Geheimnisfrage, wie eins in drei und drei in eins sein kann, hier nicht angesprochen. Vielmehr wird dem Geheimnis nachgespürt, wie jedes der drei Tiere nur dann ein vollständiges Individuum ist, indem es teilhat an der Wesensausstattung der zwei anderen Tiere. Jedes Ohr eines Hasen ist zugleich auch ein Ohr des Nachbarhasen. So hat gläubiger Sinn im Mittelalter sich dem Geheimnis der Trinität bildhaft zu nähern versucht: Die drei göttlichen Personen im Wesen des einen und einzigen Gottes sind für unser schwaches Erkennen nur fassbar durch Zuhilfenahme von Begriffen wie: Person, Wesen, Teilhabe, Beziehung und Zueignung. Der Begriff sucht aber seine Anschauung.

Ohne die Theologie an dieser Stelle weiterzudenken, sei die Wahrheit festgehalten, dass das ganze Schöpfungs- und Erlösungswerk aus dem dreifaltigen Gott hervorgegangen ist. Das heißt z. B. auf die Menschen bezögen: Niemand ist in seiner Person vollständig ohne Teilhabe am Leben seines Nächsten zur einen Seite und am Leben Gottes zur anderen Seite. Etwas vom Göttlichen und etwas vom Nächsten muss jeder zu eigen haben, um nicht "ohne Ohren" zu sein, um seine vollständige Individualität zu besitzen.

Befragen wir nun die drei Leitworte des KV "scientia - amicitia - religio", ob sie sich etwa auch zueinander verhalten wie die drei Hasen im Kreuzgang-Fenster. Es öffnet sich leicht ein ungeahnter Beziehungsreichtum: Was wäre Wissen ohne Freundschaft und Glaube, was wäre wahre Religion ohne die wesenhafte Verpflichtung auf den Nächsten, ohne Verpflichtung um die Offenbarung Gottes zu wissen, was wäre die Freundschaft ohne Gründung in Gott und ohne Verankerung im Gewissen? Aus diesen Bezügen könnte eine Grundstruktur christlicher Lebensart und täglicher Gewissenserforschung entwickelt werden. Die drei Leitworte sind eben nicht isolierte Begriffe, die einzeln bedacht und "abgehakt" werden könnten.

Bei weiterem Bedenken kommt in die Sicht, dass ja das "Große Gebot": "Du sollst den Herrn, deinen Gott, lieben aus allen deinen Kräften und deinen Nächsten wie dich selbst" nicht anders zu verstehen ist. Und in diesem Gebot sind alle Gesetze und Weisungen einbeschrieben und enthalten. "Drei Hasen" könnte auch als Geheimwort für das Grundgebot christlichen Lebens gelten.

Die lebenslustig springenden Hasen sind nur in einem Kreis angeordnet darstellbar. Dieser Kreis ist wie ein "Zirkel", der eine Lebenszelle umgrenzt und einen Raum abschließt, in dem ein solches Geheimnis seine Verborgenheit bewahren kann, ohne zu zerfließen. Auch das hat seinen tiefen Sinn.

Dennoch ist der Kreis nicht allein. Er ist wie eine Keimzeile in einem Maßwerk, und dieses gliedert ein Fenster. Fenster dienen dazu, das Licht des Himmels in die dunklen Behausungen der Menschen zu bringen, aber auch aus erleuchteten Häusern die Finsternis der Welt zu erhellen. Die Weisheit des Mittelalters ließ es nicht mit Klarsichtscheiben und technisch notwendigen Stäben und Stützen bewenden. Sie schuf ein "Maßwerk" in diesen Fenstern, um mit dem Licht auch Maß und Ordnung in der Schöpfung und im Erlösungswerk kenntlich zu machen.

Wer noch weiterdenken möchte, kann es tun; denn dieses Fenster mit dem Maßwerk und den drei Hasen ist nur eines unter vielen im "Kreuzgang", der auch Gang der Sammlung und des Gebetes genannt wird. Der Kreuzgang umschließt einen Friedhof, auf dem die Heimgegangenen der Auferstehung entgegenharren. Mit dieser beginnt aber die Vollendung des himmlischen Jerusalem, das wiederum durch den Dom versinnbildet wird, wie die Bekrönung des "Paradiesportales" eindrucksvoll verkündet.

"Drei Hasen" und ein ganzer Kosmos!

Hans Leo Drewes
Dompropst, Weihbischof