Eckart Hachmanns Weihnachtslesung am 1. Dezember 2012

Udalrike Hamelmanns Werk ist sowohl der Tradition im Thema als auch in einzelnen Formelementen verpflichtet, zugleich entwickelt sie diese aber auch weiter hin zur Moderne.

Es gelingt ihr, Weihnachtsbotschaft in neuer Form zu gestalten und die Sinne für sie zu sensibilisieren.

Ein Schlüssel für die angedeutete Ambivalenz liegt gewiss auch im familiären Hintergrund der Malerin: ihr Vater Professor Dr. Ludwig Maasjost war einer der Ersten, der dem ostwestfälischen Raum völlig neue analytische Sichtweisen abgewann, und wer kann diesen Raum noch betrachten ohne die Augen von Ludwig Maasjost. Udalrike Hamelmanns Mutter, Hanni Maasjost, erstellte u.a. eine umfangreiche Sammlung von Pieten, interpretiert in ihren Vorträgen, ein Zeugnis ihrer Kunstsinnigkeit und ihres tiefen christlichen Glaubens.

Das Bild der weihnachtlichen Landschaft wird in dem Weihnachtsbuch „Rosenstern - Weihnachtsnacht der Tiere" bereichert durch begleitende Texte der Künstlerin, ergänzt durch Worte des Alten Testaments, Paul Gerhards, Friedrich Novalis’ und Eduard Mörikes. Der tiefe, unverbrüchliche Gottesglaube der Psalmen und des inbrünstigen und in bestem Wortsinn naiven Paul Gerhard verbinden sich mit Friedrich Novalis’ christlich romantischem Ansatz des Geistlichen Jahres, der sich zutiefst mit der Naturphilosophie verbindet. Eduard Mörikes lebenstiefe, teils melancholische Worte treten hinzu, und so verbinden sich Farbe, Form und Texte zu einer perspektivreichen, synästhetischen Adventsbetrachtung, ja Adventsanalyse, die letztlich hinführt zu dem die Welt verändernden „incarnatus est“.

Deutlich zu erkennen ist die grundlegende Zweiteilung des Bildes. Der untere Teil führt das Auge in eine sanft gewellte Landschaft mit durchaus konkreten Naturelementen:

Wir erkennen vorn dorniges Buschwerk, eine Feldscheune, eine Reihe von Bäumen. Ein Weg lädt ein, die Feldflur zu durchwandern, ja, wir stehen eigentlich schon auf dem Weg und sind schon unterwegs, die Höhe zu erreichen. Und in der Tat, es ist keine fiktive, nur visionäre Landschaft. Wer den Klusenberg ob dem Klosterdorf Neuenheerse kennt, erkennt recht schnell in den dargestellten Formelementen eben diese Bergeshöhe, der, wie schon der Name sagt, eine geistliche Aura zukommt. Gerade diese Aura greift nun Udalrike Hamelmann auf, überhöht sie weiter und adelt sie. Die Formen weisen über sich hinaus.

Schon die winterlich geschlossene Schneedecke nimmt der Landschaft ihre kleinteiligen Elemente, die eher störend wirken könnten. Der Zauber wohlausgewogenen Pastells in feinstem Blau, Gelb und Rot berückt die Sinne:

Stille Harmonie, Ausgewogenheit gehen auf den Betrachter über. Die Landschaft bindet uns ein und macht uns zum Teil ihrer selbst.

So hineingenommen in die stille in sich ruhende Harmonie hellsichtig geworden, wird dem Betrachter aber plötzlich inne, dass er sich in der Kalte und Härte des Wintertages auf einem zutiefst existentiellen Weg befindet, auf einem Kreuzweg, dem Weg des Leidens Jesu Christi.

Im Zentrum der unteren Bildhälfte kreuzen sich die Wege als Horizontale und Vertikale. Ein großes Kreuz teilt die Feldflur in vier Teile. Ein Kreuz inmitten der adventlich daliegenden Flur.

Ich brauche Ihnen, sehr geehrte Zuhörer, die tiefe, innere Verbindung von Advent, Heiliger Nacht und Karfreitag im Sinne der Heilsgeschichte nicht darzulegen, hier nun erschließt sie sich in überraschender, nicht auszuweichender Weise.

Ein Weiteres kommt hinzu:

Die im Vordergrund die Horizontale aufgreifenden Wasser eines Baches spiegeln verdichtet kantig und gezackt die Farben der oben die Landschaft begrenzenden Linie wieder, ohne aber deren wohlgeschwungenen Formen zu wiederholen. Im Gegenteil: dem Kreuz zugeordnet leuchten sie auf als Dornen und Zacken der Dornenkrone. 

Welch grundlegende Ambivalenz, dialogisch ja antipodisch! Die so vereinnahmend einladende Landschaft fordert zutiefst heraus, wird existentiell. Wir können dem „ecce homo“ nicht ausweichen.

Dem eher kleinteilig gegliederten unteren Bildteil in seiner raumschaffenden Perspektive steht der obere in seiner raumlosen Statik gegenüber: ein in Idealformen gewölbter goldener Bogen öffnet den Blick in raumloses Blau. Ein Stern in Rot und Gelb überschreitet die Grenze, die Sphären verbindend.

Es bedarf weiterer, vertiefter Betrachtung, wobei die mittelalterliche Farbsymbolik in besonderer Weise zum Schlüssel wird. Auf rotem Grund erstrahlt im Himmelsbogen reines Blattgold, Licht des Lichtes, lux lucis, wie es im Schöpfungsbericht heißt - Gottvater - ich bin der Logos, ich bin das Licht der Welt, das unerschaffene Sein: lch bin, der Ich bin.

Erscheint der Goldbogen in seiner strengen Statik zunächst vielleicht unnahbar wie der Pantokrator in der Mandorla, so begegnet uns im grenzüberschreitenden , natalen Stern Bewegung, Zuwendung, ja im Innersten des Sterns erkennen wir eine Blickrichtung, die eine diagonale Linie hin auf den im Vordergrund links befindlichen Dornbusch bildet, dessen Zweige erwartend die Diagonale aufgreifen und schon vom Schein des Lichts tangiert werden. Das Formelement eben dieser Diagonale vertieft sich uns im Wissen um die mittelalterliche Farbsymbolik. Das Purpurrot steht für Liebe, Gnade, ja Hingabe und Passion des Gottessohnes hin zur Erlösung der Menschheit.

Und nun erkennen wir auch, dass das Himmelsgewölbe auf der Erde fußt und sich ihm verbindet in den links und rechts zu erkennenden Senkrechten, die die Landschaft als Säule bzw. feine Kontrastlinie durchziehen.

Das Bild befriedigt keineswegs reines Harmoniebedürfnis, wie es zunächst scheinen mag. Gewiss, eine wunderbare Komposition in traumhaften Farben, aber es ist eine Harmonie, die erkämpft, erlitten sein will. Die Geburt Christi und sein Kreuzestod verbinden sich, entfalten sich als unverbrüchliche Einheit, entfalten sich als herausfordernde Botschaft , die uns geschenkt ist. Eine zu erleidende und zugleich adelnde Botschaft, ja eine Realität, die durchaus auch als Zumutung, als Skandalon begriffen werden kann, jedenfalls aber eine Botschaft und Realität, die dem Menschen eine untangierbare Würde verleiht, die allen Menschen guten Willens verliehen wird - auch in diesem Advent 2012.

Udalrike Hamelmann: Fern im Osten wird es helle

„Nun ging es den Berg hinab, hinunter ins Tal; da glitzerte der Bach, das Sternenlicht auffangend. Es schien, als schaue auch die Landschaft erwartungsvoll auf den Stern. Die Wassertropfen in den Schlehenbüschen am Wegesrand blinkten. Über den Höhen leuchtete es, als warte die ganze Natur auf die Lösung des geheimnisvollen Rätsels, dem die Tiere auf der Spur waren.“ (aus: Udalrike Hamelmann, Rosenstern)

Udalrike Hamelmann: Rosenstern

ROSE: Die Rose ist als Symbol der Zuneigung und Liebe auch ein Zeichen Christi: Ihre 5 Blütenblätter erinnern an die 5 Wunden Christi. Eine Rose auf einem Kreuz weist auf das Blut Christi und auf seine Auferstehung hin. Die Christrose hat ebenfalls 5 Blütenblätter und ist Symbol seiner Geburt.

PENTAGRAMM: Der fünfzackige Stern entsteht aus einem Strich, ist unendlich, damit als Alpha und Omega zugleich ein göttliches Symbol, wenn zwei seiner Zacken wie Füße zur Erde weisen. Seine 5 Zacken stehen – wie die 5 Rosenblätter – für die 5 heiligen Wunden Christi.  Auf den Kopf gestellt, ist das Pentagramm ein uraltes magisches Zeichen des Bösen, auch Drudenfuß genannt. Im Mittelalter diente es der Abwehr böser Geister.