Name: Bischof Meinrad Merkel, CSSp  

Wohnort: Humaitá, Amazonas, Brasilien

Korporation: KStV Staufia-Straßburg, Frankfurt

Kurzer Lebenslauf:

Ich komme aus Hardheim in Baden. Dort bin ich am 22. Mai September 1944 geboren. Von 10 Kindern bin ich das Achte. Mein Vater war Lehrer in verschiedenen Ortschaften des Odenwaldes. Ich selber besuchte das Internat der Spiritaner in Buchen, schloß in Menden/Sauerland das Gymnasium mit dem Abitur ab, trat nach dem Noviziat 1966 in die Missionsgesellschaft vom Hl. Geist/Spiritaner ein und wurde am 22. Mai 1971 in Knechtsteden zum Priester geweiht. - Während eines Praktikums in der Landwirtschaft von der Benediktinerabtei St. Ottilien fiel dann auch die Entscheidung über mein Einsatz in Brasilien.

Seit 1967 gehöre ich den Staufen/Frankfurt im KV an. Damals studierte ich in St. Georgen/Frankfurt Philosophie und Theologie. Als Mitglied der Missionsgesellschaft der Spiritaner (CSSp.) war ich nicht nur bereit in Ländern zu arbeiten, wo die Spiritaner arbeiten, sondern es war geradezu mein Wunsch, dass dies geschähe. Ende 1971, schon zum Priester geweiht, reiste ich zum ersten Mal nach Brasilien und lernte verschiedene Stationen der Spiritaner kennen. Ein Jahr später war es dann soweit mit meiner Vesetzung an den Oberlauf des Rio Juruá, im Amazonas. Ab 1977 folgten weitere Stationen in den Bundesländern: Santa Catarina, Minas Gerais, Bahia, São Paulo. Die Aufgaben beschränkten sich nicht auf die Pfarrseelsorge, sondern umfassten auch verschiedene Etappen der Ausbildung unserer Kandidaten.

Am 26. 07. 2000 wurde ich von Papst Johannes - Paul II zum Bischof der vakanten Diözese von Humaitá im Bundesland Amazonas ernannt. Es war eine besondere Herausforderung, da ich weder die Gegend noch irgendwelche Priester, Ordensleute oder Laien kannte. Es war kein Missionsgebiet der Spiritaner, sondern der Salesianer von Dom Bosco, mit denen ich im Laufe von Ausbildung und Arbeit keinen Kontakt gehabt hatte. Die Neugierde, diese Diözese kennenzulernen, war groß.

Im Jahr 2000 hatte die Diözese eine andere "Konfiguration"; sie war kleiner als heute. 2003 gab es dann eine geographische Korrektur. Heute erstreckt sich die Diözese über drei große Landkreise (Munizipien) mit einer Gesamtausdehnung von etwa 135.000 km². Alle liegen im Süden des Bundeslandes Amazonas (Landeshauptstadt Manaus). In Anbetracht dieser Größe ist die Bevölkerung von 120.000 Menschen geradezu gering, d.h. es ist nicht einmal ein (1) Bewohner pro Quadratkilometer. 70 % dieser Bevölkerung konzentrieren sich in vier "Städten". Die anderen 30% verlieren sich entlang des Rio Madeira mit seinen vielen Nebenflüssen und Seen und der mehr als 1.300 km Landstrassen, die den Urwald durchziehen.

Als ich 2000 die Diözese übernahm, standen mir gerade einmal vier Priester aus Europa und ein brasilianischer Priester - für die Seelsorge - zur Verfügung. Heute sind es 11 Priester: 7 brasilianische, zwei aus Europa, einer aus Indien und ein Spiritaner aus Afrika. Leider haben sich zwei – vor wenigen Jahren von mir geweihte - Diözesanpriester aus dem Dienst  zurückgezogen. Drei ständige Diakone bilden die Vorhut eines für uns noch neuen Standes in der Ortskirche. Zwei Seminaristen und weitere Kandidaten aus anderen Dioezesen wünschen Priester unserer Dioezese zu werden. Daneben leben und arbeiten unter uns 22 Ordensfrauen. Laienkräfte haben wir – Gott sei Dank – eine staatliche Schar, wobei die Frauen klar überwiegen.

Die Bevölkerung setzt sich aus einigen Indianerstämmen zusammen, aus der traditionellen Flussbevölkerung und aus Migranten aus anderen Landesteilen, vor allem Weissen aus Südbrasilien. Wirtschaftlich ist unsere Region recht schwach, obschon es ein großes Potential gibt. Momentan lebt der traditionelle Teil der Bevölkerung überwiegend von der Ausbeute (Extraktion) dessen, was der Urwald bietet: Açai und Nüsse, Fische und Holz, Gold aus dem Rio Madeira. Die landwirtschaftlichen Erzeugnisse sind – nach anfänglichen Versuchen mit Soja, Mais und Reis, relativ gering: Mandiok und Bananen, Melonen  und  Tabak. Die Viehwirtschaft dagegen steigt ständig; es dürften wohl über 300.000 Stück Vieh sein.

Die Öffentliche Verwaltung ist sicherlich der größte Arbeitgeber. Dabei fallen die beiden Bereiche von Gesundheit und Erziehung ins Auge. Bei dem (noch) großen Kinderreichtum und dem geringen Einkommen ist das kein Wunder. Leider richtet sich die Aufmerksamkeit der Landesregierung fast ausschließlich auf die Landeshauptstadt Manaus, wo sich über 52% der Bevölkerung ansiedeln. Es fehlen Mittel zur Erschließung der Infrastruktur und eines Arbeitsmarktes, der den charakteristischen Gegebenheiten unserer Region entspricht. Zwar haben wir Nebenstellen der Universität in Manaus mit mehr als 2.000 Studenten. Es fehlen jedoch Arbeitsplätze, was dazu führt, dass Motivation fehlt, das Niveau fällt und die besten Studenten anschließend in andere Städte abwandern.

Religiös gesehen, bildet sich das folgende Bild: Etwa 70% der Bevölkerung sind nominell katholisch, 28% gehören der Evangelischen, vor allem aber verschiedenen Freikirchen an und 2% anderen Religionen. Der Katholizismus wird stark von der Volksreligiosität geprägt. Es ist kein "verkopfter Glaube", sondern mehr emotional, gefühlvoll. Es wird nicht so sehr nach der "Wahrheit" der christlichen Lehre gefragt, sondern nach ihrer Bedeutung für die seelisch/ psychische Situation des Einzelnen bezw. für die moralische Situation der Bevölkerung. Dabei spielt die Heiligenverehrung eine große Rolle. Das hat nicht nur religiöse, sondern auch kulturelle und ökonomische Gründe. An den neun Tagen die dem Fest vorangehen, vollzieht sich nach dem Gottesdienst der "soziale" Teil: Versteigerung, Spiele, Musik und ganz allgemein ein frohes Zusammensein von Familien, die der entsprechenden Gemeinde verbunden sind. Das Geld geht dann in die Gemeinde- bezw. Pfarreikasse. Da wird dann überlegt, was man an Kapelle und Gemeindesälen besser machen kann!

Die kirchliche Arbeit geht aber weit über die Vermittlung und Feier des Glaubens hinaus. Ob es die Kinderpastoral oder das Angebot für die älteren Menschen ist, die Sorge um Kinder und Jugendlichen, innerhalb und außerhalb der zahlreichen Schulen, Familien und Ehepastoral, Flussbewohner und Indianer. Über den Sektor "Gerechtigkeit und Frieden" machen wir uns im Gefängnis präsent oder auch in der Stadtkammer von Humaitá, in der "Universidade Federal do Amazonas", in der Bürgerinitiative "Transparenz" u.a. - Wir haben das Prinzip: Wo Menschen Zukunft gestalten wollen oder sich Gedanken um die Würde und Rechte der Armen machen, da wollen wir dabei sein. Darunter fallen auch die schwierigen Fragen der Umwelt, denn während die Einen nicht an den Urwald rühren lassen wollen, möchten die Anderen mehr Freiheit, um ihre Landwirtschaft zu erweitern... Das geht dann soweit, dass wir uns manchmal vor Einladungen und Anfragen kaum retten können. Das führte aber auch schon dazu, dass ein italienischer Priester und eine brasilianische Schwester Morddrohungen erhielten.

Leider sind wir finanziell noch sehr vom Ausland abhängig. Zwar unterhalten die Pfarreien ihre Pfarrverwalter und das nötige "Bodenpersonal". Für Verwaltung und die außerpfarrlichen Einsätze sowie für einen Teil der Sozialarbeit fehlen jedoch die nötigen Mittel. Wer den wirtschaftlichen Aufschwung in Brasilien begleitet, weiss, dass unsere vorwiegend arme Bevölkerung wenig von ihm profitiert (s.o.). Dabei ist der Mindestlohn etwa Euro 270,00 zuzüglich weiterer Verpflichtungen. - Bei dieser Gelegenheit sage ich recht gerne meinen KV – Staufen - Bundesbrüdern ein großes "Danke-schön"! Über 40 Jahre haben sie meine Arbeit in Brasilien begleitet und meine Aufgaben als Bischof treu unterstützt. Gott vergelt´s.

Große Pläne für die Zukunft? Wir denken nicht an große Werke, die Morgen nicht mehr zu unterhalten sind. Die kirchlichen Strukturen müssen flexibel und angepasst sein. Den Glauben stützen und fördern, die Gesellschaft mitgestalten, für Leben und Würde der Schwachen eintreten – ja, das wollen wir, trotz unserer bescheidenen Kräfte. Unsere Ortskirche ist lebendig. Sie schaut vertrauensvoll in die Zukunft.