1899

In den "Akademischen Monatsblättern" XII Jahrg. (1899) Nr. 7 ist zu lesen:

Darmstadt: ... Wiederholt schon wurde es als eines der nächsten Ziele des Verbandes bezeichnet, an der von nahezu 1700 Studierenden aus ganz Deutschland und dem Auslande besuchten technischen Hochschule dahier einen Kartellverein zu gründen. Im abgelaufenen Semester hat dieser Gedanke begonnen, den ersten Schritt zu einer - hoffentlich recht baldigen und erfolgreichen - Verwirklichung zu thun. Befruchtend wirkte auf ihn der Verlauf der in unserer Residenzstadt jüngst stattgehabten Tagung der Mittelrheinischen Philister-Vereinigung. Zwar konnten sich die vier Mitglieder des Darmstädter Philisterzirkels, die sich ja trotz ihrer Überlastung mit Berufsgeschäften in erster Linie zur Erwägung der Gründung für berufen und verpflichtet hielten und halten, die Bedenken nicht verhehlen, die einer Voreiligkeit in dieser Richtung entgegenstehen.

An hiesiger Hochschule existiert bereits eine kath. farbentragende Verbindung Nassovia. Neben sonstigen aus den Erfahrungen der letzten Zeit resultierenden Erwägungen mußte namentlich das Moment reiflich in Betracht gezogen werden, ob am hiesigen Polytechnikum, nachdem Nassovia nun einmal besteht, der Boden für zwei katholische Korporationen gegeben sei.

Theoretisch erschien mit Rücksicht auf die eingangs bezifferte Frequenz diese Frage zu bejahen. Aber die Praxis hat bisher - wir hoffen, daß baldigst eine Änderung eintritt - den vorsichtig vorgehenden Darmstädter A. H. recht gegeben. Nur ein Kartellbruder aus der Erwinia trat ihnen hilfreich zur Seite. Und trotz wohlwollendster und fleißigster Mitwirkung selbst auswärtiger Konphilister hatte der bisherige A. H.-Zirkel, dem sich der vorgedachte Erwine rührig anschloß, nur wenige Male die Gelegenheit, einen bezw. zwei Gesinnungsgenossen bei sich begrüssen zu können.
Aber der Anfang ist gemacht, und es wird rüstig weitergearbeitet. Dazu bedarf es jedoch der Unterstützung des ganzen Verbandes, insbesondere der Angehörigen der technischen Hochschulen.

Der Verein muß naturgemäß aus der Aktivitas hervorwachsen. Die A. H. können nur beratend und fördernd zur Seite stehen. Darum ist, wenn die Gründung, die ja nun nimmermehr aus dem Auge gelassen wird, verwirklicht werden soll, Zuzug von auswärtigen Aktiven nötig.
Bedarf die technische Hochschule zu Darmstadt ihrer Bedeutung als Lehrstätte auch noch der Empfehlung?

Schon die einfache Thatsache, daß Darmstadt, trotzdem es nur eine mittlere Stadt und Hauptstadt eines mittleren Bundenstaates ist, nach Charlottenburg und München die höchste Frequenz von sämtlichen technischen Hochschulen des Deutschen Reiches aufweist, bezeugt dies als unnötig. Bedarf Darmstadt, eine ebenso solide, als an geistigen Leben jeder Art so reiche Stadt, noch dieser Hervorhebung? Sicherlich nicht, wenn man die Eigenschaft Darmstadts als Residenz eines kunstsinnigen Fürstenhauses erwägt, das es mit einem Schatz von Kunstwerken höchsten Ranges in seinem Museum, einer der hervorragendsten Stätten der darstellenden Kunst, in seinem Hoftheater und - last, not least - mit einer der vielversprechendsten Schöpfungen praktischer Kunstliebe in der neugegründeten Künstlerkolonie beschenkt hat.
Und bedarf endlich die Umgebung unserer Hochschulstadt noch des Lobes?

Wandern nicht Tausende aus fernen Gegenden alljährlich an den benachbarten Rhein, in das angrenzende Rheingau und seinen Taunus, in den so recht eigentlich zu Darmstadt gehörigen Odenwald und die Berstraße, um von neuem Arbeitslust und -kraft zu erlangen, neue Anregungen aus Natur und Kunst entgegenzunehmen. Also möge das übliche "Auf nach - Darmstadt!" nicht ergebnislos erschallen!

Bis auf weiteres liegt die Angelegenheit in den Händen des Darmstädter Philisterzirkels, der ja am 1. und 3. Mittwoch des Monats seine Zusammenkünfte im "Hotel Britannia" (Rheinstraße Nr. 35) abhält.

Alle freudig aufgenommen Kartellbrüder und ferner für den Verband begeisterte und geeignete Studierende wollen sich an einen der vier A. H. im hiesigen Platze, in erster Linie an den Vertrauensmann der Mittelrheinischen Philistervereinigung, Obersteuerinspektor Dr. Würth, Friedrichstraße Nr. 24 wohnhaft, wenden.

Unsere Konphilister im ganzen Verband aber bitten wir, allerwärts Umschau zu halten nach "Gründern" und solche an uns rührig und warm zu verweisen und zu empfehlen.      V.V.V.

Darmstädter A. H.-Zirkel. Der vorgenannte Zirkel tagt bis auf weiteres an jedem 1. und 3. Mittwoch des Monats abends von 6 bis 8 Uhr, im "Hotel Britannia", Rheinstraße Nr. 35. Adresse: Obersteuerinspektor Dr. Würth, Darmstadt, Friedrichstraße Nr. 24.

1999

Wir treffen uns regelmäßig zum Stammtisch im "Restaurant Oberwaldhaus" in Darmstadt, Dieburger Str. 257.