Zwanzig*) Jahre Studienfahrten KV-Ortszirkel „Drei Hasen" Paderborn unterwegs

Müde wirkten sie nicht, die 36 Teilnehmer einer Studienfahrt nach Nordbaden bzw. in die Kurpfalz und in rheinhessische Gebiete, als sie nach fünftätiger Reise in Paderborn aus dem Bus stiegen. Eher machten die Damen und Kartellbrüder des Altherrenzirkels „Drei Hasen" einen zufriedenen Eindruck, so, als hätten sie etwas erfahren, das in die Kategorie Bereicherung und Zugewinn einzuordnen ist.

Und in der Tat - die Herbststudienfahrt des Jahres 2005, die zwanzigste*) in Folge in zwanzig Jahren, war wiederum, wie die Exkursionen zuvor, ein voller Erfolg.

Die Garanten dafür waren, wie durchgängig in all den Jahren, mit an Bord des Busses, der am Freitag, dem 30. September, von der Hochstiftmetropole aus gestartet war, und nun, am Dienstag, dem 4. Oktober, zurückkehrte.

Von Garanten war eben andeutungsweise die Rede. Gemeint sind die Kartellbrüder Prof. Dr. Reinhard Sprenger, der wissenschaftliche Leiter der Studienfahrten, Bodo Kaiser, der vortreffliche Organisator, und seine Gattin Irmtraud, die auf ihre umsichtige Art die Utensilien für die mitgenommenen, schmackhaften Imbisse bereitstellte.

Die Reise, ebenfalls wie die vorhergehenden historisch und kunsthistorisch ausgerichtet, wies diesmal als Schwerpunkte auf: Schlossbarock, Barock überhaupt - profan und sakral - und beinhaltete gleichermaßen Elemente der Renaissance und des Mittelalters generell.

In Schwetzingen angekommen und vorübergehend im Hotel sesshaft gemacht, wurde am darauffolgenden Tag, dem Samstag, die „Perle der Kurpfalz" erkundet.

Zunächst war der prachtvoll angelegte 72 ha große Park, der zu den schönsten Europas gehört, Ziel der Gruppe. Im Wesentlichen ist die heutige einzigartige Anlage Werk des Kurfürsten Carl Theodor, der bis in die zweite Hälfte des 18. Jhdts. hier den Glanz der höfischen Kultur seiner Epoche entfaltete.

Eine Führung durch das Schloss, das den Kurfürsten bzw. Pfalzgrafen bei Rhein in den Sommermonaten als Lustschloss diente, fügte sich an.

Wichtig zu erwähnen das in die Schlossanlage integrierte herrliche Rokokotheater.

Als der heftig niederströmende Regen die Sehnsucht nach Gummistiefeln als Fußbekleidung aufkommen ließ, stellte das Führungsduo Flexibilität unter Beweis. Kurzentschlossen wurde die ehemalige Zisterzienserabtei Maulbronn angesteuert, die schönste und vortrefflichste aller erhaltenen deutschen Klosteranlagen, die 1993 zum Weltkulturerbe der Unesco ernannt wurde. Ein Gang durch das Kloster, heute im Besitz der evgl. Kirche, mit seiner Klausur, dem Kreuzgang, der seinesgleichen sucht, und die Kirche vermittelten den Teilnehmern ein lebendiges Bild vom Alltagsleben und von der Organisation einer zisterziensischen Klostergemeinschaft. Die um einen geräumigen Hof gruppierten stattlichen Wirtschaftsgebäude, inzwischen gastronomisch genutzt und zumeist in Fachwerkbauweise ausgeführt, zeigen noch heute ihr mittelalterliches Gesicht.

Auch dieser nicht vorgesehene Klosterbesuch und die also auch nicht vorbereitete Visite in der monastischen Welt meisterte der Kb. Reinhard Sprenger souverän. Seinen Vorträgen und Erklärungen folgten alle mit Interesse und gespannter Aufmerksamkeit. Der Mediävist Kb. Sprenger hatte das Wissen und die Übersicht des Fach- und Sachkundigen. Seine didaktisch angelegten Ausführungen und die Lebendigkeit der Sprache gestalteten diesen Teil sowie auch die anderen Teile der Gesamtexkursion sehr gewinnbringend.

Bruchsal dagegen, das nächste Ziel des Tages, mit seinem großartigen Barockschloss, war offiziell im Besuchskanon eingeplant.
Seit 1190 im Besitz der Bischöfe von Speyer, erwählte sich Fürstbischof Damian Hugo 1720 nach einem Streit mit der Stadt Speyer den Ort als seine Residenz. Dort etablierte er sich als der Bauherr des heutigen Schlosses (nach teilweiser Kriegszerstörung nach 1945 wieder aufgebaut). Eine Besonderheit des Palais ist das prachtvolle Treppenhaus, das von dem bekannten Baumeister des Barocks, Balthasar Neumann, geschaffen wurde.
Die raffinierten Deckenmalereien im Kuppelsaal führen zu optischen Eindrücken, die die Grenze zwischen Malerei und Architektur fließend erscheinen lassen.

Die gemeinsame Feier der hl. Messe in der Schwetzinger Pfarrkirche war für die KV-Reisegruppe am Sonntag eine Selbstverständlichkeit.
Der Chorraum präsentierte sich an diesem Erntedanktag sehenswert mit Gaben aus Feld und Garten ausgeschmückt.

Der nordbadischen Metropole Mannheim statteten die KVer einen Besuch ab, versehen mit dem Akzent „barockes Mannheim".

Heidelberg, in vielen Studentenliedern besungen, Zentrum der ehemaligen kurpfälzischen Territorialmacht, nahm den nächsten Tag vollauf in Anspruch.

Am Vormittag wurde die Stadt am Neckar „ergangen". Der Nachmittag war der Erkundung des Schlosses, heute Inbegriff glanzvoller Ruinenschönheit, gewidmet.
Die Architektur des Schlosses bietet ein vortreffliches Beispiel für die Wandlung vom Burgen- hin zum Schlossbau innerhalb eines Zeitrahmens vom 13. bis zum 17. Jahrhundert.
Die Lage des imposanten Bauwerkes auf einer gegen das Neckartal vorgeschobenen Terrasse, vor der dunkel bewaldeten Bergwand des Königstuhles, macht die Schlossanlage zu einem beeindruckenden Ensemble höfischer Baukunst. Der Geist der Renaissance ist auch an diesem Ruinenteil noch erkennbar.

Kein Vorbeikommen war am Tag der Rückfahrt am Kaiserdom zu Worms. Kb. Sprenger erläuterte der Gruppe die geistig-kulturelle und sakrale Bedeutung des Bauwerkes, das zur Zeit der salischen Kaiser zu einer immensen Bedeutung heranwuchs, eine Ausstrahlung in das gesamte Kaiserreich des Mittelalters bewirkend.
Die wesentlichen Ereignisse der über hundert Reichstage, die in der Nibelungenstadt am Rhein sich ereigneten, wurden gebührend herausgehoben.
Der Synagoge, die ihren Ursprung bereits im 12. Jhdt. hat, eine der ältesten und wichtigsten in Deutschland, wurde in den Besuch der Stadt einbezogen.

Einer spontanen Idee der Exkursionsleitung folgend, steuerte die Gruppe zuletzt das Areal des einstigen Klosters Lorsch an. Die Torhalle des ehemaligen Domes fand als Kulturträger frühmittelalterlicher karolingischer Baukunst mit ihrer reichen Steingliederung das Interesse der Besucher.
Dieser „kleine Rest“ der ehemaligen Reichsabtei weist auf den hohen Rang hin, die dieses religiöse Zentrum, 764 als Benediktinerkloster gegründet, einmal hatte. Allein schon die Tatsache, dass König Ludwig der Deutsche 876 hier bestattet wurde, dokumentiert die einmalige Bedeutung dieser mittelalterlichen Einrichtung.

Ein Zusammentreffen der besonderen Art ergab sich auf dem Parkplatz zu Lorsch. Als die Mitglieder der Paderborner Gruppe ihren Imbiss verzehrten, entstieg einem ankommenden Pkw der Kb. Prof. Dr. Paul Kirchhof. Schnell entwickelte sich zwischen den Kartellbrüdern ein unkompliziertes Gespräch. Kernpunkt der Aussagen des Heidelberger Kb. war: „Ich hätte mir gern in Berlin für Deutschland die Ärmel aufgekrempelt, es kam aber anders.“

Alsdann stand Heimreise auf dem Programm. Eine ausgezeichnet organisierte sowie sorgsam wissenschaftlich begleitete Exkursion endete sehr zur Zufriedenheit der Reisegruppe „Drei Hasen“ Paderborn, eine der Exkursionen, die in der Vergangenheit in Frankreich, Belgien, Schlesien, Polen und natürlich in Deutschland durchgeführt wurden. Und die nächste Geschichts- und Kulturfahrt?
Im Herbst 2006 auf den Spuren der Romanik in Burgund.

Hubert Plogmeier (Ost, Li)

*) Anmerkung von Bodo Kaiser: Es war erst die 19. Herbstexkursion, denn einmal haben wir eine Fahrt ausfallen lassen wegen der Ausstellung Karls des Großen.