Die Predigt von Studentenpfarrer Nils Petrat

Liebe Gemeinde heute Abend hier im Dom, besonders liebe KVer!

Wenn es ein Wahrzeichen bzw. eine Sehenswürdigkeit in Paderborn gibt, die auch schon vor dem Bundesliga-Aufstieg des SC Paderborn eine gewisse Berühmtheit hatte, dann war das sicher das sog. Drei-Hasen-Fenster hier im Kreuzgang des Domes. Diese Berühmtheit ist natürlich auch geblieben, denn es ist bei weitem nicht so kurzlebig wie das Auf und Ab in der Fußballbundesliga…

Vielleicht haben Sie schon davor gestanden; wenn nicht, sollten Sie das später oder morgen einmal nachholen. Am Besten wäre es sogar, wenn wir zur Predigt jetzt gemeinsam dahingehen würden.

Die Symbolik des Drei-Hasen-Fensters vereint aus meiner Sicht sehr treffend die verschiedenen Fäden dieses Tages, dieses Wochenendes.

Ich sehe da drei Stränge:

1. Wir feiern kirchlich gesehen den Dreifaltigkeitssonntag, das Fest der Trinität.

2. Viele der KV-Vertreter waren heute beim Symposium Medienethik: Was machen Medien, wie wirken Medien, welche Kommunikation und Information findet statt?

3. Wir begehen das große Vertretertreffen des KV hier in Paderborn: Zusammenkunft, Austausch, Feier…

Als gemeinsame Überschrift zu diesen Fäden könnte man setzen: Kommunikation und Beziehung.

Und diese Themen, diese menschlichen Grundausdrücke, haben ganz viel mit dem Drei-Hasen-Fenster zu tun. Viele von Ihnen kennen sicher den zentralen Merkspruch dazu: „Der Hasen und der Löffel drei, und doch hat jeder Hase zwei.“

Ich würde zunächst gerne die Deutung in Richtung Dreifaltigkeit zurückstellen, und Ihre Aufmerksamkeit hinlenken zu den Ohren, den Löffeln der Hasen.

Es gibt da ja in unserer Alltagssprache ganz aufschlussreiche Redewendungen:

„Jemandem ein Ohr leihen…“

„Ganz Ohr für jemanden und eine Sache sein…ich bin ganz Ohr…“

„Hast Du mal ein Ohr für mich?“

Hier wird deutlich: es geht um Kommunikation, um Austausch.

Interessant ist nun, dass das Drei-Hasen-Fenster im Kreuzgang des Domes zu finden ist. Der Kreuzgang war früher in einem Kloster, auch sicher hier im Domkloster, der Ort für geistliche Gespräche; v.a. für Gespräche mit dem sog. Seelenführer. Das waren im Mittelalter nicht schon immer Priester, das konnten auch Laienbrüder sein. Damit war der Kreuzgang auch Ort für die Beichte – „Ohrenbeichte“ – und früher eben auch Laienbeichte: Ort für das Aussprechen und Loslassen von allem, was einen bedrückte; ein Ort, an dem jemand ganz Ohr war für den Bruder (die Schwester).

Und wenn man nun an Beichte, an Sakrament denkt, dann wird schnell auch deutlich, dass noch ein Dritter im Bunde ist, nämlich Gott oder Christus oder der Hl. Geist. Ein ehrliches Gespräch mit der Offenheit für etwas noch Größeres, für etwas Überraschendes, Neues…

Das Drei-Hasen-Fenster möchte ich als Ausdruck deuten von gelungener, befreiender und heilender Kommunikation.

In dem Zusammenhang könnte man einmal vertiefend fragen: Was wäre der Unterschied zwischen einem Zwei­(ohr)hasenfenster und einem Drei(ohr)hasenfenster?

Die Symbolik Zweihasen würde bedeuten: Alles bleibt in sich geschlossen und verschlossen, Ich und Du, Du und Ich, basta! Man spricht dann nur um der eigenen Bestätigung willen; ohne Risiko und Wagnis, man bleibt nur im Eigenen, Gleichgesinnten.

Das Dreihasenfenster zeigt demgegenüber an: Offenheit für das Dritte, das Überraschende, auch das Risiko. Es steht für das Wagnis der Begegnung

Der schönste biblische Ausdruck davon ist die sog. Emmaus-Erzählung:

Zwei Jünger unter sich auf dem Weg, haben zwar ein Ohr für einander, aber blieben unter sich und wie abgekapselt in ihren Sorgen und Fragen; dann aber kommt ein Dritter hinzu, zunächst unerkannt. Und nun geschieht etwas, wandelt sich etwas: „Brannte uns nicht das Herz“, als der Dritte hinzukam, als wir herausgeholt wurden aus unserem negativen Kommunikationsduett?

Liebe Schwestern und Brüder,

ich meine, das ist nun ein starker Hintergrund, den wir übertragen dürfen auf die angesprochenen Fäden des heutigen Tages.

1. Trinität:

Diese Deutung von den Ohren und der Kommunikation her macht klar, dass das Dreihasenfenster also im Letzten doch wieder ein wunderbares Sinnbild für unser christliches Gottesbild ist: Gott ist nicht statisch, verschlossen, nur um sich kreisend; nein, der christliche Gott ist beziehungsreich, lebendig, dynamisch und kommunikativ. Davon wieder eine Ahnung zu bekommen, halte ich für überlebenswichtig für den christlichen Glauben; Gott teilt sein Leben, seine Liebe, sich selbst; er hat immer ein Ohr für uns, er leiht uns sein Ohr. Wir sind mit ihm verbunden!

2. Medien, Medien-Ethik

Der Begriff „Medien“ kommt ja von Medium, und das ist ein Kommunikationsmittel; es geht auch hier um Mitteilung, um Öffnen, nicht Verkapseln. Das könnte man weitreichend entfalten; hier nur ein Gedanke/eine Frage: Wie können Medien gelingende Kommunikation ermöglichen, d.h. Menschen miteinander verbinden: ehrlich, offen, bestärkend und befreiend? Gefragt wäre Medienarbeit nach dem Dreihasenmodell und nicht dem Zweihasenmodell, wo man sich in ein fest geschlossenes System einschließt und nur um sich und die vermeintlich eigene Wahrheit kreist.

3. KV-Treffen: Christliche Studentenverbindungen und natürlich auch andere christliche Gruppen und Gemeinschaften sollten Orte gelingender und segensreicher Kommunikation sein, des ehrlichen Austausches, Ringens. Hier sollte man lernen können, dass man Anderen Vertrauen kann, dass man sich öffnen und mitteilen kann; ganz direkt und leibhaftig, nicht nur in der digitalen Welt. Wie wichtig ist es, wenn ich jemanden habe, der ganz Ohr für mich ist: „Hast Du mal ein Ohr für mich?“ Und umgekehrt: Ich kann Medium sein für andere! Wo das gelingt, da verwirklichen wir etwas vom trinitarischen und beziehungsreichen Leben Gottes.

Und schließlich sollten unsere christlichen Zirkel immer offen sein für das überraschende Dritte, sollten Raum lassen für Gott, sollten ihm ein Ohr leihen. Ein wichtiger Ort dafür ist das Gebet und der Gottesdienst, gerade auch die Hl. Messe: als Austausch von Göttlichem und Menschlichen, als Nachahmung der Emmaus-Erfahrung, der unerkannte Dritte ist in unserer Mitte.

Begehen wir den Dreifaltigkeitssonntag doch im Zeichen des Dreihasenfensters: jetzt hier im Dom, beim KVer-Treffen und auch in unserem persönlichen Umfeld.