Von den Anfängen bis zum Ende des Kaiserreiches

Der Aachener KV-Ortszirkel „Lakälchen“ gehört neben den Ortszirkeln Häus`chen“ zu Köln und „Häus`chen“ zu Trier zu den so genannten drei Urzirkeln des KV. Ein genaues Gründungsdatum ist für alle drei Ortszirkel nicht überliefert; fest steht jedoch, dass sie alle als Philisterzirkel in den 70er Jahren des 19.Jahrhunderts aus Gruppen ortsansässiger Kartellbrüder entstanden sind.

Anlässlich des Westdeutschen Philistertages vom 6. bis 8. Juni 1927 in Aachen feierte der damals noch „Philisterzirkel“ genannte heutige Ortszirkel „Lakälchen“ ein 50jähriges Bestehen. Hieraus kann man schließen, dass er spätestens seit dem Jahre 1877 nachgewiesen ist.

Zu dieser Zeit waren nicht nur die ersten Mitglieder des am 10. November 1871 in Aachen gegründeten Akademischen Vereins Carolingia – heute KStV Carolingia - als Absolventen der seit 1870 bestehenden Königlichen Polytechnischen Schule Aachen – heute RWTH Aachen - bereits mit ihrem Examen fertig, sondern es wohnten auch schon Kartellbrüder von auswärts in Aachen.

Im Jahre 1877 fand in Aachen die 10.Generalversammlung des KV – heute Vertreterversammlung – statt, wo nicht nur beschlossen wurde, eine Verbandsgeschäftsordnung auszuarbeiten, sondern erneut über die bereits aus dem Jahre 1872 stammenden Vorschläge des Aachener Kb Ludwig Monheim zur Regelung der „Philisterfrage“ zu diskutieren.

Der Name „Lakälchen“ ist seit dem Jahre 1881 bekannt; dies geht aus einem Brief des damaligen Ordners des Akademischen Vereins Carolingia hervor, der seinen Bruder in Meppen bittet, für ein Festessen des „Lakälchen“ 100 Krammetsvögel (Singdrosseln) zu besorgen.
Der Name Lakälchen selbst ist wohl eine scherzhafte Verbalhornung für Lokälchen (Kleines Lokal), nach dem Vorbild des Kölner Ortszirkels „Häus`chen“ (ein kleines Haus an der Breite Straße, wo die Kölner KVer sich zu dieser Zeit trafen).

Den zahlreichen Anzeigen in dem damaligen Correspondenzblatt des Verbandes der Katholischen Studentenvereine Deutschlands – heute Akademische Monatsblätter - kann man entnehmen, dass im Philisterzirkel „Lakälchen“ von der Gründung ab bis zum Ersten Weltkrieg ein reges „Zirkelleben“ herrschte.
Jede Woche fanden gemütliche und freundschaftliche Zusammenkünfte statt; in den Semesterferien sorgen unter Beteiligung der aktiven Kartellbrüder meist Kommerse mit Festvorträgen und anschließenden sonntäglichen musikalischen Frühschoppen sowie Exbummel zu den außerhalb Aachen liegenden Ortschaften und Lokalen „ex muros“, Keil-Kneipen für angehende Abiturienten sowie Kegelabende für viel Abwechselung. Nicht selten war der Besuch bzw. Gegenbesuch von Vertretern der benachbarten Ortszirkeln „Klause“ in Düren oder „ Häus`chen“ in Köln festzustellen.

Darüber hinaus war Aachen zu dieser Zeit mehrmals Tagungsort für Generalversammlungen des KV, auf den jeweils weit reichende Beschlüsse zu Grundsatzfragen und für die Entwicklung des Kartellverbandes gefasst wurden.

So fand die 29.Generalversammlung vom 26. bis 31. Juli 1896 und die 42. Generalversammlung vom 2.bis 7. Juni 1909 in Aachen statt.
Die jährlichen Hauptversammlungen des Philisterzirkels waren meist gut besucht und nicht nur Anlass, die notwendigen Regularien abzuwickeln, sondern sie boten den Mitgliedern auch Gelegenheit, kürzere oder längere Vorträge aus ihrem Arbeits- und Berufsgebiet zu halten. Eingeschränkt wurde das rege Zirkelleben mit Beginn des Ersten Weltkrieges im Jahre 1914.

Zwischen den beiden Weltkriegen

Schon bald danach kam es aber trotz aller Schwierigkeiten bald wieder in Gang. Auf Anregung des Lakälchen wurde im Jahre 1922 im Ort Langerwehe bei Düren der KV-Zirkelverband „Westgau“ gegründet, dem alle Mitglieder im Aachener Raum einschließlich Belgien und Holland angehörten. Der jeweils den Vorsitz führende Philisterzirkel wurde alle drei Jahre gewählt.

Selbst Einschränkungen, während der damaligen Besatzungszeit und die zeitweiliger Lahmlegung des Eisenbahnverkehrs, vermögen regelmäßig Zusammenkünfte der Vertreter der einzelnen Zirkel zwecks Besprechung aktueller Probleme des Verbandes und seiner Mitglieder nicht zu verhindern.
Der Schreiber des „Lakälchen“ führt gleichzeitig die Stellenvermittlungsbezirksstelle für den Bezirksverband Westgau.
Im Mai des Jahres 1924 fand in Aachen-Burtscheid ein großes Maifest des Zirkelverbandes Westgaus mit einer Beteiligung von über 300 Kartellbrüdern einschließlich ihrer Damen statt.

Im Jahre 1926 gründete der Aachener Philisterzirkel zur Förderung gemeinsamer Belange mit dem CV, UV und R.V. eine Arbeitsgemeinschaft.
Den Vorsitz führte wechselnd jeweils ein Philisterzirkel dieser Verbände. In Zusammenarbeit mit dem Verband Katholischer Akademiker wurde eine gemeinsame Görresfeier durchgeführt und ein Entschluss gefasst, das Duell und die Mensur aus „ religiösen und sozialen Gründen unbedingt zu verwerfen und zu bekämpfen“.

Unter Beteiligung der KV- Verbandsleitung, zahlreicher hoher KV-Persönlichkeiten aus Aachen sowie aus dem ganzen Lande und zahlreicher Chargenabordnungen fand im Jahre 1927 in Aachen der Westdeutsche Philistertag des KV und das 50-jährige Bestehen des Aachener Philisterzirkels statt.
Es war in Aachen die letzte große KV- Veranstaltung vor der Machtübernahme durch die Nationalsozialisten im Jahre 1933.

KV-Verbandgeschäftsführer Rechtsanwalt Kb Johannes Henry leitete die erfolgreiche Tagung mit Vortragsthemen wie: „Der KVer und die Betätigung seines Verantwortungsgefühl gegenüber der Volksgemeinschaft durch Mitarbeit gegenüber der Volksnot.“ (Kb Kanonikus Dr. Lenne, Aachen), „ Der katholische Akademiker und das Auslandsdeutschtum“ (Kb Dr. Hoeber, Köln) und „ Der Gemeinschaftsgedanke im KV“ ( Kb Dr. Hensel, Düsseldorf.
Während der Nazidiktatur musste der Aachener Philisterzirkel, wie alle katholischen Vereine, unter seinem damaligen Vorsitzenden Kb Dr Wilhelm Haas (1933 – 1935) seine Arbeit einstellen. Die Zirkelmitglieder trafen sich nun beim geheimen Verein „Kavaria“ (KVer), und konnten damit – trotz vielfältiger Gefahren – den Zusammenhalt unter den engagierten und treuen Kartellbrüdern wahren.

Nach Ende des Zweiten Weltkrieges bis zur 130-Jahrfeier 2007

Dank dieses Zusammenhalts war es in der durch den Krieg weitgehend zerstörten Stadt Aachen bereits im Jahre 1947 möglich, unter dem Vorsitzenden Kb Dr. Jürgen Kersting im das 70-jährige Bestehen des Philisterzirkels mit einem Hochamt in der Propsteikirche St. Adalbert , einem Festkommers in der Gaststätte Kohnen und einem nachmittäglichen Damenfest im Restaurant Alt-Linzenshäuschen zu feiern. Das Fest war gleichzeitig Anlass, den Ehrenphilister des KStV Carolingia und des KStV Wiking, Landgerichtspräsident i. R. Kb Josef Oppenhoff, zum Ehrenvorsitzenden des Philisterzirkel „Lakälchen“ zu ernennen.

Es war eine Anerkennung seiner Verdienstes um den Philisterzirkel und eine Einreihung in den Kreis hochrangiger Aachener Persönlichkeiten, die schon früher und bis zur heutigen Zeit immer wieder Mitglieder des Ortszirkels Lakälchen waren.

Engagierten Vorsitzenden der Nachkriegszeit, wie den KbKb Wilhelm Oomen, Karl Pfennings, Rudolf Kawohl, Dr. Joe Hoffmann und Josef Ostendorf ist es zu verdanken, dass der Aachener Ortszirkel allen Widerstände zum Trotz in diesen Jahren ohne Unterbrechung besteht.
Mit ihrer Hilfe fanden in den 50-Jahren neben den bestehenden KV-Korporationen KStV Carolinga-Aachen und KStV Wiking-Aachen der KStV Alania-Breslau, der KStV Pruthenia-Danzig, der KStV Grotenburg-Hannover und der KStV-Saxo-Lusatia-Dreden - beide heute KStV Grotenburg-Lusatia - in der Stadt Aachen eine neue Heimat.
Vor allem die langjährigen Vorsitzenden Kb Georg Lauffs (1962 - 1965 und 1970 – 1974), Kb Prof. Dr. Theo Herbertz (1966 – 1969 und 1974 – 1985) und Kb Franz Michael Feinen (seit 1986) sind Garanten für ein beständiges und abwechslungsreiches Zirkelleben mit vielen und unterschiedlichen Veranstaltungen von Vorträgen, Advents- und Maiandachten, Nikolausfeiern Museumsbesuchen, Ausflugsfahrten und Wanderungen. Zur kartellbrüderlichen Verbundenheit tragen weiter ein gedrucktes Jahresprogramm, ein regelmäßiger monatlicher Stammtisch und eine fast familiäre Atmosphäre bei.

Als herausragende Ereignisse und Höhepunkte des Zirkelsleben der letzten Jahrzehnte bleiben in Erinnerung: Der Gesellschaftsabend 1957 im Restaurant Elisenbrunnen zum 80-jährigem Bestehen, der Festabend 1967 in der Erholungsgesellschaft zum 90-jährigem Bestehen, der Festabend 1977 im Quellenhof und Festmesse im Hohen Dom zum 100-jährigen Bestehen, der Festgottesdienst 1987 in Haus Eich mit anschließendem Empfang in der Aula zum 110- jährigen Bestehen, der Große Festkommers 1997 im Aachener Eurogress in Verbindung mit dem Vorortübergabekommers und dem Niederrheinreffen, sowie Festmesse in der Theresienkirche zum 120-jährigen Bestehen, der Festabend 2002 im Aachener Ratskeller zum 125- jährigen Bestehen und der Festgottesdienst 2007 im Hohen Dom mit den Chargierten aller fünf Aachener KV- Vereine, Rathausführungen, Empfang und Buffet zum 130-jährigem Bestehen.

Erwähnenswert sind weiterhin die KV-Vertreterversammlung vom 31. Mai bis 02.Juni 1984 in Aachen unter dem von Kb Prof. Jochen Ohnsorge initiierten und vom Ortszirkel „Lakälchen“ vorgegebenen Leitthema Europa mit den Vorträgen:
„Das Europäische Parlament – Hoffnungsträger oder Relikt einer vergangenen Epoche?“ (Kb Dr.Axel N. Zarges MdEP), „Die Christen und die Einigung Europas“ (Kb Dr. Alois Rummel) und der Kommersfestrede „Europa, von der Utopie zur politischen Wirklichkeit“ (Kb Dr. Jochen von Aerseen, MdEP), ferner die glanzvollen und gut besuchten Ruckbälle der vier Aachener Korporationsverbände KV, CV, UV und RKDB in den Jahren 1970 bis 1990 sowie die Vortragsveranstaltungen mit namhaften Referenten im festlichen Ambiente des Quellenhofes Aachen bzw. des Kasteels Bloemendal in Vaals/Niederlande in den Jahren 1991 – 2000).

Heute steht der Ortszirkel in der Führung erneut vor einem Generationswechsel, der nur erfolgreich bewältigt werden kann, wenn sich mehr jüngere Kartellbrüder aktiv am Zirkelleben beteiligen und sich für die Vorstandsarbeit zur Verfügung stellen. Nur dann wird der Ortszirkel als Mitglied der großen KV-Familie auf Dauer Bestand haben.

Franz Michael Feinen – OZ- X

Quellen

Correspondenzblatt des Verbandes der Katholischen Studentvereine Deutschlands Akademische Monatsblätter
Lakälchen-Archiv „ Große Gestalten, große Erinnerungen!“ 1877 – 1896 – 1909 in AM – 96.Jahrg. Mai 1984
Herbertz, Theo: Die Geschichte des Aachener Ortszirkels Lakälchen im KV – Einer der drei „Urzirkel des KV“ AM – 96.Jahrg. Mai 1984
„Für ein christliches Europa “ VV`84 in Aachen – AM - 96. Jahrg. Juli/August 1984
Feinen, Franz Michael: 110 Jahre OZ „ Lakälchen“ in AM – 99.Jahrg.Dezember 1987