Weil Kb Pfarrer Gustav Görsmann (Bsg, Gm) französische Kriegsgefangene als Seelsorger betreute, wurde er ins KZ Dachau gesperrt und kam dort um

Am 15. September hat sich zum achtzigsten Male der Tag gejährt, an dem Kb Gustav Görsmann (Bsg, Gm) im Krankenrevier des KZs Dachau an Unterernährung verstarb. Die Gestapo hatte den Osnabrücker Diözesanpriester ins KZ Dachau deportiert, nachdem sie ihn im Sommer 1941 wegen seelsorglicher Betreuung von Kriegsgefangenen verhaftet und inhaftiert hatte. Der 15. September wird in der katholischen Kirche liturgisch als „Fest der sieben Schmerzen Mariae” begangen. Dass Gustav Görsmann, ein großer Marienverehrer, ausgerechnet an diesem Tag sein Martyrium erlitt, verleiht dem Thema des Festes besondere Brisanz.

Gustav Görsmann stammte aus Osnabrück, wo er am 29. September 1873 als Sohn des Tischlermeisters Conrad Heinrich Görsmann (1841-1908) und seiner Frau Maria Catharina (1838-1891) geboren wurde. Er war das einzige Kind seiner Eltern: Seiner Mutter gab er als Siebzehnjähriger am Sterbebett das Versprechen, Priester zu werden. Nach dem Abitur am Gymnasium Carolinum in Osnabrück 1895 studierte er zunächst in Freiburg Theologie, später wechselte er nach Münster. In Freiburg wurde er aktives Mitglied des K.St.V. Brisgovia Freiburg und in Münster des K.St.V. Germania. Am 25. September 1898 wurde er zum Priester geweiht.

Bevor er 1915 zunächst zum Pastor, 1919 zum Pfarrer von [Hagen-] Gellenbeck im Dekanat Iburg bestellt wurde, waren die Stationen seiner priesterlichen Tätigkeit: von 1898 bis 1906 Vikar an St. Marien in Bremen, von 1906 bis 1915 Kaplan in Wellingholzhausen.

Bevor er 1915 zunächst zum Pastor, 1919 zum Pfarrer von [Hagen-] Gellenbeck im Dekanat Iburg bestellt wurde, waren die Stationen seiner priesterlichen Tätigkeit: von 1898 bis 1906 Vikar an St. Marien in Bremen, von 1906 bis 1915 Kaplan in Wellingholzhausen.

Ein vorbildlicher Seelsorger

Von 1915 bis 1941 wirkte Pfarrer Görsmann als eifriger Seelsorger in Gellenbeck. Als guter Beichtvater und vorzüglicher Prediger, als Seelsorger, der besonders den Kranken zugetan war, ist er in bleibender Erinnerung geblieben. Von seinen Briefen und Predigten sowie von seinen Eintragungen in der Chronik sind nur wenige Zeugnisse erhalten und von der Gemeinde in einem Gedenkbuch veröffentlicht worden. Gustav Görsmann wird dort als besonders kunstsinnig beschrieben. Auf die Ausgestaltung der Marienkirche nahm er prägenden Einfluss und verwandte dazu auch sein eigenes Vermögen.

Pfarrer Görsmann stand dem Nationalsozialismus von Anfang an ablehnend gegenüber. Zwar suchte er nicht die offene Kontroverse mit der NSDAP, machte aber aus seiner Überzeugung keinen Hehl. So ist überliefert, dass beim Eingang ins Pfarrhaus – in Abkehr von dem zur damaligen Zeit üblichen Gruß Heil Hitler – ein von ihm entworfenes Schild mit der Aufschrift „Dein Gruß sei Grüß Gott!” hing.

Sätze in Predigten, die den lokalen Parteigrößen nicht gefielen, Streitigkeiten, ob die Kirchengemeinde auch der Pflicht nachgekommen sei, an staatlichen Feiertagen die Reichsflagge - mit dem Hakenkreuz - aufgezogen zu haben und viele weitere kleine Ereignisse, die heute kaum dokumentiert sind, dürften bei den lokalen Parteigrößen gegenüber dem Pfarrer einen ideologisch begründeten Hass aufgebaut haben; anders sind die Ereignisse von 1940/1941 und die Folgen nicht zu erklären.

Zugewandt gegenüber angeblichen Feinden

Im Jahre 1940 wurden etwa zwanzig französische Kriegsgefangene in Gellenbeck untergebracht und zur Arbeit in Bauernhöfen und in Handwerksbetrieben eingeteilt. Wenn Pfarrer Görsmann während seiner Gemeindebesuche auf sie traf, wechselte er mit ihnen freundliche Worte. Er bemühte sich um die Erlaubnis, für sie Gottesdienst halten zu dürfen und lud sie zum Pfarrgottesdienst ein.

Dieser menschlich-christliche Umgang mit den französischen Katholiken wurde ihm zum Verhängnis. Am 7. März wurde er in Untersuchungshaft genommen. Die Anklageschrift machte dem Pfarrer zum Vorwurf, er habe vorsätzlich mit französischen Kriegsgefangenen in einer Weise Umgang gepflegt, die nicht durch die Ausübung seiner Berufspflicht zwangsläufig bedingt sei und die das gesunde Volksempfinden gröblich verletzt habe. Im einzelnen wurde ihm Folgendes vorgeworfen:

„Der Beschuldigte hielt Mitte August 1940 entgegen den ergangenen Anordnungen ohne Genehmigung des zuständigen Wehrkreispfarrers einen Sonntagsgottesdienst für die in Gellenbeck untergebrachten etwa zwanzig französischen Kriegsgefangenen ab. Die Genehmigung wurde erst unter dem 29. August 1940 erteilt. In der Folgezeit hielt er weitere Gottesdienste am 1. September 1940, 19. Januar, 2. Februar und 2. März 1941 ab.

Zu allen Gottesdiensten lud er die Kriegsgefangenen schriftlich mit der Anrede: ,Meine französischen Katholiken´ oder ,Meine Brüder´ ein, auch unterhielt er sich mit den Kriegsgefangenen, wo er sie traf, über ihre persönlichen Verhältnisse, ihre Verpflegung und Arbeit, obwohl das durch die ihm unter dem 29.8.1940 zugegangenen Richtlinien für die geistliche Betreuung der katholischen Kriegsgefangenen ausdrücklich untersagt war und in der Öffentlichkeit Erregung hervorrief.”

Keine Hoffnung auf Freilassung

Das Landgericht in Osnabrück verurteilte Pfarrer Görsmann am 2. April 1941 zu vier Wochen Gefängnis; die erlittene Untersuchungshaft wurde angerechnet. Nur für wenige Wochen konnte er nach Gellenbeck zurückkehren. Am 27. Juni 1941 wurde er erneut verhaftet und in so genannte Schutzhaft genommen. Da Aussicht bestand, dass er als Ruheständler und aufgrund seines Alters schonender behandelt würde, verzichtete er auf guten Rat hin auf seine Pfarrstelle, doch bewahrte ihn dieser Schritt nicht vor dem KZ. Am 28. September 1941, als sein Nachfolger feierlich in die Pfarrei eingeführt wurde, erfolgte die Überstellung nach Dachau.

Alle Gesuche seiner Verwandten sowie des Generalvikariats bei der Gestapo auf Freilassung blieben unbeantwortet. Am 15. September 1942 starb er an Entkräftung im Krankenrevier des KZs Dachau. Die Urne mit der Asche des Verstorbenen wurde auf dem Friedhof der Pfarrgemeinde beigesetzt, deren erster Pfarrer er war. An sein priesterliches Lebenszeugnis erinnert ein 1990 errichtetes Denkmal, das ihn als „Hirte, Freund und Zeuge“ in Erinnerung hält.

Der Text ist entnommen dem zweibändigen Werk „Zeugen für Christus. Das deutsche Martyrologium des 20. Jahrhunderts”, herausgegebern von Prälat Prof. Dr. Helmut Moll im Auftrag der Deutschen Bischofskonferenz, 7. überarbeitete und aktualisierte Auflage 2019. Wir veröffentlichen ihn, etwas ergänzt und bearbeitet, mit freundlicher Genehmigung des Verlags Ferdinand Schöningh, Paderborn.

Pfarrer Görsmann

„Sechsundzwanzig Jahre lang, in seinem Leben war es die Phase vom 42. bis zum 68. Lebensjahr, prägte und gestaltete Pfarrer Görsmann als starke Persönlichkeit das Leben seiner jungen Kirchengemeinde, erst ab 1935 unterstützt durch einen Kaplan. Wie unerschrocken er aber für seine Überzeugung stand, zeigte sich dann, als 1933 der Kirche der raue Wind des nationalsozialistischen Staates ins Antlitz blies.”

(Johannes Brand, Pfarrer Gustav Görsmann, in: Heimat-Jahrbuch 2012 Osnabrücker Land)

Hirte, Freund und Glaubenszeuge

Gustav Görsmann, geb. 29. September 1873 in Osnabrück, gest. 15. September 1942 im KZ Dachau – Abitur am Gymnasium Carolinum in Osnabrück 1895 – Theologiestudium in Freiburg und Münster – Priesterweihe 25. September 1898 in Osnabrück – Kaplansjahre in Bremen und Wellingholzhausen – Berufung zum ersten Pastor der Kirchengemeinde Gellenbeck durch Bischof Wilhelm Berning 01. Dezember 1915 – Amtseinführung im Rahmen der Einweihung der Kirche Mariä Himmelfahrt 13. Dezember 1915 – Bespitzelung durch die Gestapo ab 1933 – Auslöser für ein massives Vorgehen gegen ihn war sein Umgang mit ab Sommer 1940 in der Niedermark untergebrachten französischen Kriegsgefangenen. Nach zweimaliger Verhaftung wurde er am 29. September 1941 ins KZ Dachau gebracht, wo er ein knappes Jahr später an Unterernährung starb.

Letzte Nachricht in aussichtsloser Lage

In einem im Heimatjahrbuch 2012 Osnabrücker Land erschienenen Aufsatz zum 70. Todestag von Pfarrer Görsmann schrieb Johannes Brand über die Leidenszeit des Priesters, der im sogenannten Priesterblock des KZs Dachau inhaftiert war:
Dort begann für den Häftling Nr. 27777 eine unvorstellbare Leidenszeit. Davon zeugen die 22 Briefe an die Familie seiner Schwester Elisabeth Recker in Köln.[1] Selbstverständlich hatten seine Briefe eine scharfe Zensur durchlaufen. Dennoch bringen sie seine elende Lage, seine Verzweiflung und seine Hoffnung auf Rettung in hoffnungsloser Situation zum Ausdruck. So heißt es in seinem letzten Brief vom 22. August 1942: „Mir geht es nicht recht gut; ich fühle mich sehr matt und schwach. Die jähen Umschläge des Wetters wirken sehr auf mich. Augenblicklich muss ich viel husten und aushusten. Wenn doch nur bald der Tag der Erlösung käme! Wie ich mich nach Befreiung sehne! Ich hoffe auf Gott und seinen Beistand ... ich bedarf unbedingt übernatürlicher Hilfe, sonst kann ich nicht bestehen und durchhalten! ... Euer armer Gustav.“
 
Im Sommer 1942 starben nach Augenzeugenberichten viele Häftlinge an Unterernährung. Pfarrer G. Römer, ein Leidensgenosse Görsmanns, erinnerte sich 1985: „Die Tatsache, dass er im September 1942 starb, lässt mich nur vermuten (!), dass er an Entkräftung starb. Der Sommer 42 war der berüchtigte Hungersommer von Dachau, sehr regenreich und kühl, wo wir schwer arbeiten mussten bei qualitativ und quantitativ minderwertiger Ernährung, so dass die Häftlinge wie die Fliegen wegstarben, gerade auch viele Priester.“[2]

Am 1. September war Gustav Görsmann so schwach, dass er sich krank melden musste. Unter den KZ-Bedingungen konnte er sich nicht mehr erholen und starb am 15. September. Im Schreiben des Konzentrationslagers an die Familie Recker heißt es dazu voller Zynismus: „Ihr Verwandter Gustav Görsmann, geb. 29. 9. 73 zu Osnabrück, meldete sich am 1. 9. 42 krank u. wurde daraufhin unter Aufnahme im Krankenbau in ärztliche Behandlung genommen. Es wurde ihm die bestmögliche medikamentöse und pflegerische Behandlung zuteil. Trotz ärztlicher Bemühungen gelang es nicht, der Krankheit Herr zu werden. Ich spreche Ihnen zu diesem Verlust mein Beileid aus ... gez. Weiß SS-Sturmbannführer“[3]

Die Urne mit der Asche wurde dann im Oktober nach Gellenbeck gesandt und dort unter gewaltiger Anteilnahme der Gemeinde am 21. Oktober 1942 beigesetzt. Aber auch nun gab die Partei noch keine Ruhe. „Die Ortsgruppenleiter der NSDAP, Boelk (Natrup-Hagen) und Schwarberg (Hagen) beobachteten vom Friedhofseingang aus das Geschehen, wie ein älterer Bürger zu berichten weiß, denn niemand durfte der Arbeit in einem Rüstungsbetrieb fernbleiben. Auch Lehrer und Schüler durften nicht in der Schule fehlen, um ihrem Pastor die letzte Ehre zu geben“[4]

Anmerkungen:
(1) Genealogische Mitteilungen für die Familien Gösmann/ Gössmann/Gößmann/Görsmann. 3. Jahrgang, Nr. 4, Biel 1985, 19-26,
(2) Kath. Kirchengemeinde Gellenbeck (Hrsg.): Gustav Görsmann. Hirte – Freund – Zeuge. Eine Biographie in Dokumenten, Selbstzeugnissen, Erinnerungen, Bildern und Würdigungen. Zusammengestellt von Johannes Brand, Josef Niemeyer, Pastor Gerhard Stenzaly, Gregor Wulftange (Hagen a. T. W. 1992), S. 81,
(3) Genealogische Mitteilungen S. 29
(4) Heinrich Schimmöller: Leben und Sterben des Pfarrers Gustav Görsmann – dargestellt nach Befragung älterer Bürger der Gemeinde und aufgrund der wenigen schriftlichen Quellen im September 1982, als Manuskript vervielfältigt. Auch in: Genealogische Mitteilungen, S. 15 bis 19 und Hirte – Freund – Zeuge, S. 51 bis 56